Auf der Suche nach dem Gleichgewicht
„Reite Dein Pferd vorwärts und richte es gerade!“ verlangte im 17. Jahrhundert Gustav Steinbrecht in seinem heute noch gern zitierten Buch „Das Gymnasium des Pferdes“.
Wie schwer es ist, sein Pferd gerade zu richten, wissen wir Reiter wohl alle, denn es geht keineswegs darum, einfach nur geradeaus zu reiten (obwohl das auch gar nicht so leicht ist), sondern das Pferd „in sich“ gerade zu richten, sodass es selbst auf gebogenen Linien oder in den Seitengängen mit seinen Vorderfüßen den Hinterfüßen vorschreitet, die ihrerseits wiederum jenen unbedingt folgen.
Hierfür muss sich das Pferd im Gleichgewicht befinden – nur dann kann es sich ausbalanciert bewegen.
Aber wie findet ein Pferd am effizientesten ins Gleichgewicht?
Mit der Dualaktivierung auf dem Weg zur Balance im Pferdekopf und Pferdekörper!
Michael Geitner hat sich darüber viele Gedanken gemacht und formte sie zu dem Weg zur Balance, den inzwischen auch namhafte Reiterpersönlichkeiten wählen, um ihre Pferde besser ins Gleichgewicht finden zu lassen: Die Dualaktivierung!
Für Michael Geitner begann dieser Weg bei der Feststellung, dass Pferde monokular sehen – ihre Augen sitzen seitlich an ihrem Kopf und jedes Auge kann unabhängig vom anderen Auge Impulse aufnehmen. Bei 95% der Pferde sitzt links das Sicherheitsauge; rechts das Fluchtauge. Mit dem Sicherheitsauge nehmen Pferde die Impulse wahr, die sie zur Flucht animieren.
Mit dem Fluchtauge behält es den Fluchtweg im Blick. Für das Fluchttier Pferd ist das grundsätzlich sehr hilfreich, denn während es mit dem Sicherheitsauge die Gefahr erkennt, sieht das Fluchtauge schon, wohin es laufen kann, um entkommen zu können.
Für ein Pferd, das wir ausbilden, um es reiten, fahren oder auch mit ihm am Boden arbeiten zu können, steht das monokulare Sehen dem Erreichen des Ausbildungszieles aber oft eher im Weg, denn die Pferdeaugen sind diagonal mit den jeweiligen Gehirnhälften vernetzt. Das bedeutet: Das linke Auge spricht die rechte Gehirnhälfte an, das rechte Auge spricht die linke Gehirnhälfte an. Zwischen den beiden Gehirnhälften findet jedoch nur ein begrenzter und eher träger Austausch der vom jeweiligen Auge aufgenommenen Informationen statt und damit entsteht im Pferdegehirn ein Ungleichgewicht der Informationsmenge, die das Pferd aufnimmt.
Meist dominiert beim Pferd das links sitzende Sicherheitsauge – damit werden quasi ständig potentielle Gefahrenimpulse aufgenommen, zu denen das Pferdegehirn keine Antwort aus dem Fluchtaugenreiz erhält. Das Pferd gerät folglich unter Stress, weil es sich fürchtet, schaltet in den Fluchmodus, erkennt aber keinen Weg, der ihm das Entkommen aus der drohenden Gefahr sichert.
Die Balance des Pferdes beginnt also in seinem Gehirn: Werden beide Gehirnhälften gleichermaßen mit Reizen versorgt, fördert dies die Kommunikation zwischen den beiden Gehirnhälften des Pferdes und damit auch seine Koordination und sein körperliches Gleichgewicht.
Blau-Gelb für mehr Ausgeglichenheit!
Um nun das Sicherheits- und das Fluchtauge des Pferdes gleichermaßen anzusprechen, wählte Michael Geitner die Farben Blau und Gelb, nachdem der Neurobiologe Joseph Caroll vom Medical College of Wisconsin in Milwaukee im Jahr 2001 zur wissenschaftlichen Erkenntnis gelangte, dass sie vom Pferd am besten wahrgenommen werden können, und kreierte die blauen und gelben Dualgassen, die den Pferdeaugen die ständigen und gleichmäßigen Rechts-Links-Reize bieten und gleichzeitig wie führende Geländer wirken, zwischen denen sich das Pferd sicher fühlen kann, während es sich bewegt.
Dualgassen: Weich und leise, statt laut und schmerzhaft
In der Dualaktivierung werden bewusst keine festen Hindernisstangen verwendet, um daraus Gassen zu legen, denn das Schmerzempfinden oder der Klang des Anstoßens vom Huf an eine solche Stange würde das Pferd wieder verunsichern. Mit den weichgefüllten Dualgassen gibt es keine Geräusche, keine Verletzungsgefahr und kein Schmerzempfinden, wenn das Pferd dagegen oder drauf tritt.
Vorwärts mit einer aktiven Hinterhand
Die Dualaktivierung fördert aber nicht nur das geistige und körperliche Gleichgewicht, sondern greift auch die erste Aufforderung Gustav Steinbrechts auf: „Reite Dein Pferd vorwärts (…)!“
Damit meinte der Meister aber nicht, dass man mit möglichst hoher Geschwindigkeit zur Geraderichtung finden wird, sondern dass das Pferd in seinem Bestreben gefördert wird, die seine Last (und die des Reiters) nach vorne zu bewegen, indem der Reiter die Schubkraft der Hinterhand seines Pferdes aktiv hält und sie „Last aufnimmt“.
Das Training zwischen den Dualgassen verbessert
- das Körperbewusstsein des Pferdes („Selbst“-Bewusstsein)
- das körperliche Gleichgewicht des Pferdes (es bewegt sich ausbalanciert)
- die geistige Balance (der Informationstransfer zwischen den beiden Gehirnhälften des Pferdes wird verbessert – dadurch wird die mentale Gelassenheit gefördert)
- die Koordination (verbesserte Koordination von Vor- und Hinterhand – dadurch: Sicherere Tritte und Bewegungen, kein Stolpern, verbesserte Stellung und Biegung)
- die Hinterhandaktivität und die Lastaufnahme der Hinterhand (die Vorhand wird entlastet, das Pferd kann sich in die natürliche Aufrichtung erheben, es lässt sich versammeln, die Umlastung funktioniert besser, denn das innere Hinterbein nimmt mehr Last auf und kann weiter unter den Schwerpunkt treten)
- die Konzentration des Pferdes (das Pferd lernt schneller, arbeitet besser mit, lässt sich nicht so leicht ablenken, die Umweltorientiertheit nimmt ab)
Dualaktivierung: Für welche Pferde, welche Reitweisen und welche Arbeit mit dem Pferd?
Die Dualaktivierung ist prinzipiell für alle Pferde geeignet und nicht an eine bestimmte Reitweise gebunden.
Das Training mit den Dualgassen kann unter dem Sattel (Reiten), an der Longe- / Doppellonge oder am langen Zügel erfolgen.
Parcours in Blau-Gelb für mehr Freude und Erfolg!
Die Vielseitigkeit der Möglichkeiten aus den Dualgassen und Pylonen einen Parcours zu gestalten (zum Drüberlaufen, als Dualgasse, Langgasse, Lombardgasse, Fächer, Quadratvolte, Dreieck, Kreuz/ Kleeblatt) fördert die Motivation und die Freude von Pferd und Mensch. Sie können auch spezielle Ausbildungsschwerpunkte berücksichtigen (z.B. Taktfestigung, Verbesserung Biegung und Stellung, Koordination Vor- und Hinterhand, Seitengänge).
Fördern, statt (über)fordern mit einem erfahrenen Dualaktivierungs-Trainer
Allerdings ist es wichtig, sich von einem erfahrenen Dualaktivierungstrainer anleiten zu lassen, um das Pferd nicht zu überfordern, denn auch wenn die Trainingseinheiten kurz erscheinen und auch für junge, alte oder rekonvaleszente Pferde geeignet sind, fordern sie das Pferd mental und körperlich.
Überfordert ist ein Pferd, zum Beispiel dann, wenn
- es mehrfach stolpert
- auf die Gassen tritt
- den Kopf schief hält
- abschnaubt, ohne den Kopf zu senken
- sich zu verspannen beginnt
Das Training muss dann sofort abgebrochen werden!
Ich helfe Euch gerne, Eure Pferde mit der Dualaktivierung optimal zu fördern, ohne sie zu überfordern.
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